12. Februar 2025

Tag 3: von Ruhengeri nach Muhanga

Dienstag, der 4. Februar 2025
Der große Respekt vor den nächsten beiden Abschnitten trieb mich gegen vier aus den Federn. Ich räumte noch das Chaos auf, das ich anrichtete als ich mir gestern vor dem Schlafen, im Dunkeln noch ein paar Pringles gönnte. Im Tran machte ich den Deckel der Dose auf die falsche Seite und der Versuch sie dann mit der offenen Seite auf den Nachttisch zu stellen misslang selbstverständlich. Die halbvolle Packung verteilte sich auf den Boden vor meinem Bett.

Zurück zum Track: es waren auf den nächsten 490 Kilometern ungefähr 13500 Höhenmeter zu machen und der vorangegangene, angeblich leichte Teil, bereitete mir schon genug Schwierigkeiten. Es war ein Auf- und Ab ohne Unterlass, denn das Land der tausend Hügel, ist ebenfalls ein Land ohne ebene Flächen und somit ohne Erholungsmöglichkeiten. Die schwüle, heiße Luft tat ihr Übriges um die körperliche Beanspruchung mit ausreichend zu bewerten. 

Die größte Herausforderung blieben für mich allerdings die vielen Menschen und vor Allem die abertausenden von Kindern aus deren Kehlen mir immer wieder das „Mzungo, Mzungo“ und anschließend „money, money, give me money“ entgegenschallte. Es war die Hauptaufgabe der ersten Tage dies richtig einzuordnen. Als Mzungo war ich eine Attraktion und Ausbruch aus ihrem alltäglichen Leben. Sie schienen mir alle lebensfroh und größtenteils gesund. Sie waren fit und selbst die Kleinsten in ihren Badeschlappen unglaublich schnell. Wir weissen Radfahrer schienen eine Art Jagdinstinkt in Ihnen zu wecken, denn wann immer Sie uns sahen fingen Sie an uns hinterherzurennen und hetzten uns die Berge hinauf und „money, money, give me money“ schien mir mehr ihr Schlachtruf, als der ernsthafte Versuch Geld zu bekommen. Viele lachten dabei und Sie lachten uns auch aus – uns wunderliche Fremde, die sich auf ihren merkwürdigen Rädern scheinbar grundlos die Berge hinaufschleppten.

Ich musste also meinen Frieden mit dem, für die nächsten 600 Kilometer Unausweichlichem schließen um zu meinem Genuss dieser Tour zu finden. Bislang war es schwierig neben dem Genannten die landschaftliche Schönheit auf sich wirken zu lassen.

Heute sollte sich das Blatt wenden. Der Wille kann Berge versetzen und selbst Kinder zum Schweigen bringen. Versteht mich nicht falsch – jedes einzelne war so liebenswert, dass ich es hätte klauen können, aber in der Menge wurden Sie an den ersten beiden Tagen zu einer hetztenden „Meute“ von niedlichen Nervensägen.

Meine Nerven regenerierten aber schnell – rechts neben mir im Frühdunst die mächtigen Vulkane, mir entgegenkommend erste Riesenjeeps in denen paarweise wohlhabende Touristen vermutlich mit ihren Gorillapermits zum Besuch der Primaten gefahren wurden. Kein Neid – ich fühlte mich auf meiner Karre wieder in meinem Element. Mein Kampfgeist war erwacht und ich bereit diesem Track das Bestmögliche abzugewinnen. 

Geil – was bin ich doch für ein Spitzentyp 👍🏾

Dieser Spitzentyp hatte allerdings an diesem morgen recht gewöhnliche Bedürfnisse von der Art, die, wenn man zu lange damit wartet, Sie auch mal in die Hose gehen können. Da war das nächste Problem: ich fand einfach kein stilles Örtchen und wann immer ich meinte es gefunden zu haben und die Hose bereits in den Kniekehlen hing, musste ich wegen eines aus den Nichts erscheinenden, grüssenden Passanten abbrechen. Beim Vierten Versuch war der „Akt“ bereits soweit fortgeschritten, dass mir nichts mehr half. Hinter meinem Strauch huckend blieb mir nichts anderes mehr übrig als der mir freundlich zuwinkenden Frau ebenso freundlich zurückzuwinken.

Jetzt dürfte ich dem Mythos des unerschrockenen Radhelden ein für allemal ein Ende bereitet haben. Der Spitzentyp fuhr aber nun endgültig befreit weiter.

Auch wechselte der Track bald wieder auf Asphalt und ich würde mich an diesem Tag an dem dritten Kontrollpunkt noch auf unter 80 Kilometer nähern können. Als sich der Tag dem Ende näherte, beschloss ich mir diesmal ein Plätzchen an einem der gepflegten Grünstreifen entlang der glatten und beleuchteten Asphaltzunge zu suchen. Es gelang mir kurz nach Einbruch der Dunkelheit und nach dem ich meine in Ruhengeri eingekauften, gebackenen Bohnen hinter der Leitplanke mit dem am Vormittag gekauften Brot genossen hatte, legte ich mich im Schutz eines Busches in meinen Biwaksack und schlummerte selig ein. Ich hatte meinen Frieden mit den Umständen gemacht und freute mich auf den nächsten Radeltag.

📩 markus@morgenlandradler.de