Ich möchte Euch von meiner Tour berichten, einer Tour, die sich von meinen bisherigen vor Allem in einem Punkt deutlich unterscheidet: nämlich in der Intensität in der ich die Menschen in diesem Land erlebt habe.
Eigentlich kamen wir hierher, um in südlichen Gefilden bei sommerlichen Temperaturen der heimischen Wintertristesse zu entgehen und ich wollte mir mit dem Race around Rwanda zugleich eine weitere Nadel an meinen Radwanderstock heften.
Ich beginne meine Aufzeichnungen zwei Tage nach dem Finish am 7. Februar 2025.
Freitag, der 31. Januar 2025
Oberflächlich informiert über Land und Track landeten wir gegen 2 Uhr in der Nacht in Kigali. Maurice, unser Taxifahrer wartete schon und wir waren schnell in unserer Unterkunft in der Nähe des Zentrums.
Die zwei Tage vor dem Start vergingen mit kleinen Besorgungen. Es war einfach, eine Mobilfunkkarte zu bekommen und unsere unnötig hergeschleppten Dollar in Ruandische Franc zu wechseln. Den Rest der verbleibenden Zeit verbummelten wir mit Spaziergängen in der Umgebung und im angenehmen Start/Ziel Bereich des Tugende, einem Treffpunkt für Radfahrer, Marathon- und Ultradistanzläufer.
Sonntag, 2. Februar um 3.30 Uhr
Die rund 150 Teilnehmer waren beim vorausgehenden gemeinsamen Frühstück, voller Aufregung und Vorfreude und wurden dann auch pünktlich um 5 Uhr auf den Track geschickt.
Die Polizei führte uns die ersten Kilometer aus der Stadt heraus, die Kreuzungen waren kontrolliert und erst mit Beginn des ersten Gravelabschnitts begann das Abenteuer. Wir fuhren durch erste Dörfer und sofort setzte das Bild ein, dass mich durch große Teile der Tour begleiten würde. Wir waren im Reich der Hutu. Einfach bis ärmlich gekleidete Menschen überwiegend mit PU-Schlappen beschuht prägten das Bild entlang der Piste. Sie transportierten Wasser und das, was Sie mit ihrer Hände Arbeit dem Land abringen entlang des Weges – von Dorf zu Dorf. Kinder spielten am Rand und wann immer Sie uns erblickten kam uns sofort ein freudig, aufgeregtes „Mzungu, Mzungu“ entgegen. Mzungu – das Wort der Einheimischen für einen Weissen. Hände streckten sich mir entgegen und es begann ein lustiges Abklatschen. Nur wenige Kilometer weiter gingen die Rufe aber schon in „money, money, give me money“ über. Hier ist schon die erste Erklärung notwendig: es war in den überwiegenden Fällen kein Betteln aus großer Not, mehr der Versuch eine seltene Gelegenheit zu ergreifen. Die Kinder, wie die Erwachsenen wirkten auf mich weder krank noch unterernährt, aber Sie führten ein einfaches Leben, wie schon seit hunderten, wenn nicht tausenden von Jahren. Ihr Werkzeug zur Bearbeitung des Bodens war eine Hacke und das zur Ernte die Machete. Ich war nicht geschockt, aber sehr überrascht, wie groß die Kontraste in diesem Land sind.
Ich war kulturell wenig vorbereitet. Ich wusste vom Genozid 1994, ein wenig über die Geschichte und von der hohen Bevölkerungsdichte des Landes, hatte aber nicht damit gerechnet, dass mir während des Tages pausenlos Menschen begegnen würden.
Es belastete mich zunächst nicht. Der erste Streckenabschnitt war verhältnismäßig leicht und erst im Laufe des Vormittags wurde die Luft zunehmend heisser, schwüler und mir viel das Radfahren schwerer. Ich wunderte mich, denn normalerweise macht mir Sonne und Hitze nicht viel zu schaffen. Dann kam mir aber bald die einfache Erklärung: „Du hast seit dem Silk Road Mountain Race nicht mehr auf dem Rad gesessen“. Meine körperliche Vorbereitung war also auch nicht optimal – beste Voraussetzungen für ein Abenteuer der besonderen Art.
Das Bild änderte sich im Laufe des Tages nicht. Wir fuhren von Dorf zu Dorf zunächst entlang des Akagera National Park, der an Tansania grenzt, dann südwestlich zum Lac Muhazi und danach entlang des Sees leichte Hügel hinauf und hinunter in Richtung Checkpoint 1, den ich in der Nachmittagszeit erreichte.
Dort hielt ich mich nicht auf, denn es blieb noch Zeit bis es dunkel würde und etwas Strecke zu machen. Die Tag-Nachtgleiche in der Nähe des Äquators bietet inklusive der Dämmerungszeiten 13 Stunden, die man im Hellen fahren kann.
Das Ziel für den Tag war das nördliche Ende des Sees, kurz vor dem ersten langen Anstieg. Dort gab es einige Unterkünfte. „Acapulco“ war der vielversprechende Name des Hotels mit Campingplatz, dass sich einige Fahrer zur Übernachtung ausgesucht hatten. Da Heiko und Michael, die ich am Checkpoint traf, dieses schon gebucht hatten, machte ich mich auch dorthin auf den Weg.
Dort angekommen entpuppte sich „mein“ Acapulco als kleines Häuschen, mit erstmal nur einem Zimmer, das bereits an Laurent vergeben war. Unser Gastgeber feierte mit seinen Jungs und einer Dame noch ein wenig auf der Terrasse.
Zu haben war noch ein Zelt ohne Boden, das der Gastgeber für 14.000 Franc noch säubern und mit Matratze und Bettwäsche ausstatten wollte – ein Schnäppchen, das ich nicht ausschlug.
Zum Servicepaket der Unterkunft gehörte auch ein Catering Service (es wurde von irgendwo etwas zu Essen organisiert) und sexuelle Dienstleistungen, die ich aufgrund meiner Müdigkeit, des fortgeschritten Alters und anderer vorgeschobener Gründe nicht annehmen wollte – man will ja nicht unhöflich sein .
Der Chef war dann schnell verschwunden und Laurent bot auch mir sein Bad, einen gefliesten Raum mit Schlauch und kaltem Wasser an. Ich sah mich in dem Häuschen um und entdeckte, was nicht schwer war, ein zweites Schlafzimmer, von dem weder Laurent, der die ganze Bude gemietet hatte, noch die Gastgeber etwas wussten – seltsam, nicht war ?
Er (Laurent) stellte es mir selbstverständlich zur Verfügung und so verbrachte ich zum Schluss doch eine komfortable Nacht in einem sauberen Bett.
Übrigens Heiko und Michael kamen niemals dort an und verbrachten ihre Nacht in irgendeinem anderen Hotel Acapulco.