August 19, 2022

von L’Isle-de-Noé nach Lourdes

Freitag, den 19. August 2022

Ich war völlig begeistert, dass diese 1A Unterkunft mir auch noch Strom bot. In der Ecke war ein Verteilerkasten und darunter eine Steckdose. Klasse dachte ich gestern Abend und stöpselte mein Wahoo ein. Heute morgen wunderte ich mich warum der Stecker nicht aus der USB-Buchse des Navigationsgeräts zu ziehen ist und sah mir das ganze bei Licht näher an. Der Stecker war mit der Buchse regelrecht verschmolzen. Ich hatte es Kopf über am Kabel hängen lassen und so sorgte Strom und die sich absetzende Feuchtigkeit wohl dafür, dass der Kunststoff zum schmelzen gebracht wurde. Kein richtiger Kurzschluss, alle Geräte funktionierten nur das Wahoo ohne Ladebuchse eben nicht mehr lange, denn ich konnte es nun nicht mehr aufladen.

Ich fuhr mit meinem Ersatzgerät weiter, musste dafür aber in Marciac erstmal das französiche Kartenmaterial downloaden, wenn ich nicht den Rest der Tour nur einer schwarzen Linie folgen wollte (die Tracks waren zwar drauf, aber die französischen Maps hatte ich vergessen). Bei dem langsamen Zugang kostete mich das ein Weilchen. Was soll’s: Marciac war nett und ich hatte ja Zeit.

Die Anspannung war völlig gewichen und das Glück, das Vorhaben „French Divide“ vollenden zu können durchdrang mich immer mehr. Es war eine tiefe Zufriedenheit mit mir und der Leistung, diese Prüfung ohne nennenswerte körperliche Schwierigkeiten überbestanden zu haben.

Ein Problem will ich doch noch in Erinnerung behalten. Seit dem ersten Auftreten des nicht mehr zu fixierenden linken Cleats, habe ich deswegen mindestens 10 Mal auf der Nase gelegen. Trotz des Bewusstseins für das Problem waren Momente mangelnder Aufmerksamkeit nicht vermeidbar und so bin ich immer mal wieder, bei langsamer Geschwindigkeit, an technisch schwierigen Stellen wie ein nasser Sack umgekippt: immer auf dieselbe Stelle desselben Knies. Der anschließende Ablauf des sich Aufregens, anschließend mich unter dem Rad hervorwühlens, sowie des Reinigens der abgeschürften Stelle, war zur Routine geworden und ich schlug mich damit bis zum Schluss herum.

Am Nachmittag ging es auf Lourdes zu und die Pyrenäen waren in Sicht. Mir war als führe ich auf die Alpen zu und von den Namen, die Menschen den Landschaften geben abgesehen, war es ja auch so – bekannt scheinende Berggipfel, selbst Orte und Gebäude hatten etwas Vetrautes. Ich fühlte mich wohl und die Strecke bis Lourdes war zudem abwechslungsreich. Am Ortseingang angekommen, kaufte ich beim Lidl noch kurz ein, löffelte vor der Tür einen großen Eisbecher und machte mich dann auf den Weg in die Altstadt.

Mit dem unterwegs gebuchtem Hotel hatte ich Glück: das günstige Zimmer im obersten Stockwerk war frisch renoviert und bot einen hinreissenden Ausblick. Ich gönnte mir im Foyer schon ein paar Bierchen (die weniger günstig waren) und bestaunte dann das christliche Wunderspektakel aus sicherer Entfernung. Ein mächtiger Pilgerstrom bewegte sich bis tief in die Nacht hinein und hinaus aus der hübschen Kirche, die über die Wunderstätte gebaut wurde. Das Ganze wurde durchgängig von Chorälen untermalt und so ergab sich eine beeindruckende Atmosphäre, zumal wenn man bedenkt, weshalb sich die zahlreichen schwerkranken Menschen auf den Weg hierher machten.