April 29, 2022

von San Piero a Sieve bis Avio im Etschtal

Freitag, den 29. April 2022

Gefühl des Augenblicks – aus meinem Instagram Post von der Tour:

Noch zwei Anstiege und dann verlässt der Track den Apennin und führt hinunter nach Bologna und in die Poebene. Am ersten Berg traf ich in einer Bar zwei LKW Fahrer, die sich für die Tour interessierten und als Sie erfuhren, dass diese sogar durch ihren Heimatort Montefiascone führte und ich zudem in ihrem Heimatort übernachtet hatte, waren Sie ausser sich vor Freude. Eine herrliche Eigenschaft, die mir in Italien immer wieder begegnet: die Fähigkeit sich mit anderen und an einfachen Dingen und Umständen herzlich zu erfreuen. Was bei uns oft in Argwohn mündet oder als Kinderei (was es ja auch ist) abgetan wird, ist für die meisten Südländer, egal ob jung oder alt, Grund zu ehrlicher Freude und Bewunderung. Eine Anteilnahme die von innen wärmt, Gemeinschaft bildet und nicht die Nase in die Höhe gehen lässt. Diese beiden Männer sind stellvertretend für viele Momente dieser Art. Hoch lebe die Fähigkeit zur Kinderei !

Der Anstieg zum Monte Bastione war nicht so mühsam wie erwartet und ich genoss die Fahrt. Landschaften haben ihre Namen und ich war jetzt in der Emiglia-Romagna. Für mich machte es keinen Unterschied: schöner als schön geht nicht und eine noch bessere Stimmung hätte ich auch kaum mehr verkraften können. Ich fühlte mich … was soll ich noch sagen.

Der Tag war eine ungetrübte Freude. Einige Male begegnete mir Jarp, ich glaube es war sein Name, ein Niederländer aus Amsterdam, der ebenso in den Tag verliebt war wie ich. Er war bei einer kleinen Hütte am Berg, an der eine Frau von einem Karren ihre Waren verkaufte, so begeistert, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass er noch weitergefahren ist. „Hier könnte ich leben“ sagte er sehnsüchtig während er verträumt ins Tal blickte.

Ich machte noch Halt in einer weiteren gemütlichen Bar und als ich hier die Toiletten aufsuchte, kam mir eine Idee: ich sollte für meinen Kumpel Norbert, einem gelernten „Klempner“, ab sofort eine Sammlung der schönsten italienischen Aufputzinstallationen zusammenstellen.

Bologna war am Nachmittag erreicht und die Appeninen mit ihren vielen Höhenmetern lagen hinter mir. Trotz ihrer Größe gefiel mir die Stadt, in der ich mich trotzdem nicht lange aufhielt. Ich besorgte mir einen neuen Schlauch, besuchte zwei sehr gute Eisdielen und freute mich auf die Poebene, die ich schon häufiger durchfahren habe.

Die Wetterlage sollte sich ändern und die Regenwahrscheinlichkeit zunehmen. Ausserdem wollte ich ja auch noch rechtzeitig ankommen, um mir mein Finisher T-Shirt zu verdienen. Also beschloss ich in die Nacht hinein- und durchzufahren.

Mit Einbruch der Dunkelheit, kam auch die Eintönigkeit. Es ging gefühlt endlos lang über einen Damm und rechts und links davon war es jetzt zumeist schwarz. Kurz vor elf fuhr ich kurz hinunter und erwischte noch eine geöffnete Pizzeria. Dann wieder zurück auf den Damm bis zum Po. Die Brücke, die zwischenzeitlich gesperrt war, passierte ich um zwei Uhr. Meine Müdigkeit hielt sich in Grenzen, aber kurz vor Mantova erreichte der Hunger seinen Höhepunkt. Die Hoffnung um drei Uhr in der Nacht noch irgendeine Verpflegungsmöglichkeit zu finden, war gleich null. Die Überraschung war riesig, als ich am Ortseingang die geöffnete Burgerbude sah – ich war gerettet !

Danach plünderte ich noch einen Schokoriegelautomaten und fuhr wieder in die Nacht.

Am frühen Morgen erreichte ich zuerst Valeggio sul Mincio und nach einem kurzen Bäckereibesuch, bei dem ich am Tisch zweimal kurz eingeschlafen bin, dann bald Verona. Ich fühlte mich trotz der 300 Kilometer, die ich ohne längere Pausen zurückgelegt hatte, frisch genug und entschloss mich sofort den „Rest“ auch noch an diesem Tag zu „erledigen“. Vom Ziel trennten mich nur noch 140 Kilometer und die beiden höchsten Anstiege der Tour: Der Monte Tomba und der Monte Baldo.

Aus der Stadt heraus, ging es eigentlich nur noch bergauf. Nach kurzer Zeit traf ich Giampiero. Ich war erstaunt als ich sah, dass er offensichtlich mit Komoot und Smartphone navigierte. Seine beiden Garmins hatten den Geist aufgegeben und so kamen wir schnell zu dem Entschluss, dass es das Beste ist gemeinsam weiterzufahren, denn seine Frau wartete schon in Torbole und er wollte Sie nicht zu lange warten lassen.

Am Monte Tomba hatten wir noch Hoffnung es zu schaffen, aber nach zwei weiteren Plattfüßen meinerseits, kamen wir erst spät im Etschtal an. Es muss nach 19 Uhr gewesen sein als wir in Vò Sinistra an der Etsch waren. Hier ging es erstmal zum Abendessen und danach stand fest, dass wir uns eine Unterkunft im Tal suchen und die Tour am nächsten Morgen abzuschließen. Eine Ankunft in der Nacht, zumal Regen vorhergesagt war, hielten wir beide für einen unwürdigen Abschluss. So endete diese Etappe 40 Kilometer vor dem Ziel und es war gut so !