April 28, 2022

von Greve in Chianti bis San Piero a Sieve

Donnerstag, den 28. April 2022

Ich wache im Morgengrauen auf. In der Nacht haben der Temperaturabfall und das nahegelegene Flüsschen Greve für erhöhte Luftfeuchtigkeit gesorgt. Mein Biwaksack war von aussen nass aber mein Schlafsack blieb wieder trocken – nochmal ein großes Lob.

Es blieben noch 35 Kilometer und zwei ordentliche Anstiege bis Florenz. Gegen neuen genoss ich kurz den Ausblick über die ruhmreiche Ortschaft und fuhr dann freudig den Berg hinab in den Stadtteil südlich des Arno um beim anstehenden, ausgiebigen Frühstück nicht völlig zu verarmen. Für italienische Verhältnisse war es zwar dennoch teuer, aber die, von zwei älteren Herrschaften bedächtig geführte Pasticceria unweit des Ponte Vecchio war es wert. Hier schauten Steffi und Stephan, die schon am Vortag in der angekommen waren, noch kurz auf einen Kaffee vorbei.

Ich machte anschließend noch meine Ehrenrunde vor dem Pallazo (ebenfalls Vecchio) und verließ dann die Stadt.

Nein ! – Ich machte vorher noch etwas anderes, nämlich mir erstmals einen Plan und in Folge dessen einen Fehler. Ich wollte mich an diesem Tag auf der Via Degli Dei nicht übernehmen und buchte mir ein B&B in Monzuno bei etwa 120 Tageskilometern – das wäre zu schaffen gewesen. Bei der Buchung dieser Wandererherberge übersah ich aber die finale Check-In Zeit von 18 Uhr. Wanderer machen wohl in der Regel früher Feierabend als Bikepacker. Das hatte ich in Florenz noch nicht bemerkt und machte mich fröhlich auf den Weg.

Aus der Stadt heraus gelangte ich schnell auf die alte Römerstraße, die Fiesole und Bologna verbindet. Die Wege wurden matschig und an einer der unangenehmsten Stellen wollte ich mich grade am Rand langhangeln als mir ein entgegenkommendes Wandererpärchen den Weg versperrte. Freundlich bot man mir den direkten Weg durch die Schlammsuhle an und ich nahm mir etwas Zeit mich umzusehen. Einige Radspuren führten durch das Gebüsch scheinbar an dem Drecksloch vorbei und ich schöpfte Hoffnung und folgte den Spuren, die zwar noch trackkonform schienen, mich aber nach einiger Zeit in eine Sackgasse führten. Also machte ich kehrt und begann nervös zu werden. Ich hatte mir zwischenzeitlich meine Buchung genauer angesehen und mir war klar, dass meine Zeitreserven erschöpft waren. Ich hastete durch den knöcheltiefen Schlamm und war froh, als ich die Passage hinter mich gebracht hatte und als ich wieder aufsteigen wollte, fühlte es sich an, als wenn ich mit dem Vorderrad immer noch durch Schlick fahren würde – ein Plattfuß !

Ich glaubte immer noch an meine Chance, das Nachtquartier zu erreichen und machte mich an die Arbeit, aber der schnelltrocknende Lehm rieselte sofort in die geöffnete Reifenwand. Ich hatte nicht mehr genug Wasser um den Mantel von innen zu säubern.

Ein See in der Nähe sollte die Rettung sein, war aber ordentlich umzäunt und so wanderte ich noch zwei Kilometer die mittlerweile erreichte Landstraße hinunter und kam gottlob an eine kleine Gaststätte. Ein Blick auf die Uhr: ich war sowieso langsam und hatte zusätzlich über eine Stunde verbummelt. In diesem Augenblick verwarf ich meinen Tagesplan, ging zum Tresen, bestellte mir erstmal ein großes Peroni und ein Panini. Damit setzte ich mich dann in die Sonne – der Stress war vorbei, der Ärger verraucht. Ich würde heute nicht viel zustande bekommen – was soll’s ! Entspannt machte ich es mir danach auf der anderen Straßenseite auf einer Rasenfläche mit meinem Rad und gefüllten Wasserflaschen gemütlich, reinigte alles bedächtig und fuhr danach mit einem guten Gefühl in den Abend.

Es war wieder ein wunderschöne Stimmung und kurz vor San Piero a Sieve gab mir ein Flüsschen (sehr wahrscheinlich die Sieve) die Gelegenheit mein Rad und mich mal ordentlich zu waschen.

Ich ging kein Risiko mehr ein, denn ich wollte auf keinem Fall in der Nacht auf 1100 Metern Höhe am Monte Bastione festsitzen und so fuhr ich auf den nahgelegenen Campingplatz um den Tag früh zu beschließen. Dort gab es für mich eine schöne Hütte mit eigener Dusche, ein gemütliches Lokal und bei Bier, Salat und Pizza noch ein Pläuschchen mit einem netten Wandererpaar – herrlich angenehm, dieses Ultracycling!