August 14, 2022

von Mareuge bis Neussargues

Sonntag, den 14. August 2022

Im Nachhinein betrachtet, ging die Wahrscheinlichkeit der breiten Gewitterfront zu entkommen gegen Null, aber wenn man müde ist rechnet man sich auch gerne mal was schön. Also – nach zwei Stündchen Schlaf hörte und sah ich es in geringer Entfernung Donnern und Blitzen. Ich raffte schnell mein Lager zusammen und beeilte mich den nächsten Ort, einen Unterstand oder irgendwas zum Unterkriechen zu finden. Zum Glück war ein kleines Dörfchen (Mareuge) nicht weit entfernt. Als es so richtig loslegte, konnte ich mich grade unter den Dachüberstand eines Häuschen in Sicherheit bringen. Dort verbrachte ich den Rest der Nacht, in meinen Biwaksack gehüllt, auf zwei leeren Kanistern kauernd.

Als die Gewitter nachließen machte ich mich wieder auf den Weg. Es waren noch zehn Kilometer bis Chambon-sur-Lac, wo der Campingplatz auf dem Weg lag. Ich dachte: „Wie blöd kann man sein ?“, aber räumte mildernde Umstände ein, denn ich bin gestern um Mitternacht nur noch totmüde vom Rad gefallen.

Es regnete diesen Morgen noch ein wenig, aber ich wunderte mich trotz des schlechten Wetters und der verkorksten Nacht über meine gute Laune. Um meine Leidensfähigkeit scheint es nicht schlecht bestellt.

Im Ort fand ich eine nette kleine Bäckerei. Es gab zwar drinnen keine Sitzmöglichkeiten, draussen aber ein paar nasse Stühle und eine halb ausgefahrene Markise – das reicht zum glücklich sein.

Nach dem Frühstück ging es dem zweithöchsten Punkt der Tour entgegen und am Abend würde ich, wenn alles gutgeht, CP3 in Allanche erreichen. Es waren an diesem Tag einige Höhenmeter zu bewältigen, aber die wunderschöne Landschaft der Auvergne, mit ihren besonderem Duft erleichterte die Anstiege. Ich weiss nicht woran mich dieser Geruch errinnerte, aber er begleitete mich durch die ganze Landschaft.

Im letzten Teil des Anstiegs wurde es nochmal unangenehm. Es kam heftiger Wind auf und anschließend, selbstverständlich auf freiem Feld, erwischte mich ein ordentlicher Graupelschauer. Ich erinnere mich, dass ich ziemlich gefroren habe und überglücklich war, als sich das Wetter urplötzlich wieder besserte. Geschafft – morgen nur noch den Plomb du Cantal und das Massif Central läge hinter mir.

Jetzt ging es bergab, Allanche entgegen. Ich genoss die Abfahrt und anschließend den freundlichen Empfang an Checkpoint 3. Es wurden Fotos gemacht und darüber bin ich im nachhinein sehr glücklich, denn ich hätte sonst grade an diesen schönen Moment kaum Erinnerungen.

Herzlichen Dank an Aubin Bidaia und Clément Milo !

Ich wollte nur noch dem Plomb du Cantal etwas näher kommen und auf jedem Fall auf einen Campingplatz. Also machte ich mich hastig wieder auf den Weg und versäumte es, im Ort einzukaufen – eine dieser Schusseligkeiten, die mich um den ein oder anderen schönen Moment oder auch einen guten Tagesabschluss gebracht haben.

Die Abendstimmung war trotzdem wieder wunderbar und den Campingplatz Neussargues erreichte ich, frühzeitig wie ich dachte, um 20.30 Uhr. Falsch gedacht, denn auf kommunalen Campingplätzen ist die Wahrscheinlichkeit nach 19 Uhr einen Kiosk oder gar eine Gastronomie vorzufinden wiederum gleich Null (siehe Avallon). Ebenso gleich Null waren meine Essensvorräte und so machte ich mich mit dem Mut der Verzweiflung an einem Sonntag Abend noch auf den Weg in die Ortsmitte um mir endgültig die Quittung für meine mangelnde Vorausschau abzuholen.

Zurück am Campingplatz dachte ich mich wenigstens unter einer heißen Dusche etwas aufwärmen zu können, aber mehr als lauwarm gab die Leitung nicht her. Wass soll’s – ich konnte mich wenigstens mal wieder waschen und Regen war auch nicht angekündigt. Ich suchte mir ein schönes Plätzchen und legte mich knurrendem Magen früh Schlafen, mit einem Weingummi, das sich noch in einer Tasche versteckt hatte, als Betthupferl.