August 6, 2022

Der Tag vor dem Start

Samstag, den 6. August 2022

Das Brevet ist eine alte, im Radsport seit fast einem Jahrhundert bewährte Prüfungsform und ausdrücklich kein Rennen. An diese Tradition knüpft der Organisator Samuel mit seinem French Divide an und meint es ernst damit. Im Briefing der Teilnehmer am Nachmittag vor dem Start, wurde nochmal sehr gründlich auf Ablauf und Regeln hingewiesen.

Der French Divide 2022 ist eine 2150 Kilometer lange Tour mit ca. 32.000 Höhenmeter von Flandern im Norden, ins Baskenland im tiefen Südwesten. Dabei durchquert der in 20 Sektionen aufgeteilte Track unter anderem die Champagne und Burgund im Nordosten, den idyllischen Naturpark Morvan und das Zentralmassiv mit dem Plomb du Cantal als höchstem Punkt der Tour. Danach folgt die Strecke in großen Teilen dem französischen Jakobsweg durch das Pyrenäenvorland bis zum Zielort Mendionde.

Diese Tour allein an den Höhenmetern und Kilometern und der zeitlichen Vorgabe von maximal 15 Tagen zu bemessen, kann sich als Fehler herausstellen, aber darüber im Weiteren mehr.

Ich freute mich auf meinen zweiten Versuch, nachdem ich die Disqualifikation des letzten Jahres akzeptiert und mir die wenigen sinnvollen Regeln des unsupported Bikepacking bewusst gemacht und hinter die Ohren geschrieben hatte.

Was den Verlauf des Events angeht, hatte ich meine Vorstellungen des letzten Jahres allerdings nicht aktualisiert. Wenn mich nichts Außergewöhnliches ereilt, sollte meine körperliche Verfassung der Herausforderung gewachsen sein – locker – so dachte ich und packte mir deshalb mit Kocher, ausreichend Gas, Topf und Schüssel, Kaffee, Nudeln, Thunfisch und so weiter noch ein paar Extrakilos in meine kurz vorher installierten Gabeltaschen. Die ächzten schon vor der Abfahrt, aber meinem Zutrauen in die Zusatzfixierung durch je zwei kräftige Schlauchschellen auf jeder Seite wankte nicht. Der Genuss sollte nicht zu kurz kommen, wenn ich nach getaner Arbeit oder vor dieser auf meinem Lager sitze. Zwei Tassen Kaffee zum Tagesstart müssen schon sein.

Alles, nur nicht verhungern

Um diesen Luxus nicht zu gefährden und mir für schwierigere Sektionen ein Polster zu erarbeiten, plante ich die erste Nacht in der mir bekannten, leichten Anfangsphase durchzufahren und bis zum Ende des ersten Tages mit mindestens 300 gefahrenen Kilometern dazustehen. Ansonsten wollte ich nur mein Finishershirt und die vollen 15 Tage auskosten.

Das war mein ganzer Plan. Die Strecke habe ich darüberhinaus nicht studiert. Die Tracks auf meinem Wahoo würden mir den Weg weisen und alles andere sollte Abenteuer bleiben.