15. Februar 2025

Tag 6: von Kibeho über Checkpoint 4 zum Ziel

Freitag, der 7. Februar 2025

Um halb zwei wache ich auf und fühle mich recht munter. Eigentlich war der Wecker wieder für vier Uhr gestellt, aber mir wird sofort klar, dass ich an diesem Tag jede Stunde gebrauchen kann. Ich denke kurz nach. Der Track wird noch ein wenig auf Asphalt verlaufen und vielleicht reicht dieser Abschnitt ja noch bis zum Morgengrauen und wenn nicht – was soll’s. Ich sitz schon auf der Bettkante, wackel zum Tisch, auf dem meine Cola und meine Mandazis liegen und leg mich zum Frühstücken zurück ins Bett. Ich sehe mir die Reststrecke an und errechne mir bei vorzeitigem Aufbruch um drei Uhr eine Ankunft vor Mitternacht, bestenfalls um 22 Uhr – was man sich so in der Nacht zusammenrechnet.

Noch vor drei öffne ich die Tür meines Zimmers und davor, auf einem kleinen Hocker steht mein Frühstück. In der Papiertüte finde ich Muffins, Bananen und zwei knüppelhartgekochte Eier. Der Tag startet traumhaft und ich verlasse Kibeho in Richtung drittem Checkpoint.

Es geht noch knappe 30 Kilometer über Asphalt. In der Dunkelheit begegnen mir die ersten einheimischen Radspediteure mit Ihren überladenen Rädern. Finster wie die Nacht und ohne Beleuchtung sind Sie nur an den mechanischen Quietsch- und Knackgeräuschen ihrer unter der Last ächzenden Räder auszumachen, bevor Sie im Schein meines Frontlichts auftauchen. Ich genieße ihre Gesellschaft und man scherzt auf einfache, aber unmissverständlich Art miteinander. Die Landbevölkerung nutzt die nagelneue Straße ebenfalls: als komfortablen Fussweg. 

Aber die Dinge sind im Wandel und die neuen Straßen, die überall gebaut werden tuen was Sie sollen. Sie sollen das Leben der Menschen verändern, verbessern und die Idylle des ursprünglichen Daseins in die heutige Zeit führen. Ich habe das schon einige Male anderswo beobachten dürfen und ich hoffe, dass auch hier die Menschen ihr eigenes Maß finden und sich ein wenig ihrer alten Lebensweise erhalten können.

Diese einfachen Gedanken kommen mir hier nicht nur morgens in der Frühe. In den ersten Tagen zerriss es mich schon ein wenig. Auf der einen Seite die glückliche Einfachheit, mit der hier auf dem Land gelebt wird und auf die Menschen stolz sind. Auf der Anderen, die Chance die dürftigen Lebensbedingungen zu verbessern, die Notwendigkeit dem starken Bevölkerungswachstum und der damit verbundenen Not, die ebenfalls sichtbar ist, entgegenzuwirken. 

Ich hab Vieles in diesem Land beim Radfahren erleben dürfen. Die Offenheit der Menschen hat es mir leicht gemacht. Ich musste mir die Einblicke in ihr Leben nicht nehmen, denn Sie haben Sie mir mit ihrer freundlichen Art und in ihrer Vielzahl rechts und links um die Ohren gehauen. Die Herausforderungen waren nicht die 1000 Kilometer und knapp 18000 Höhenmeter, sondern die Menschen entlang des Tracks, die Ihre Aufmerksamkeit gefordert und selbstverständlich auch verdient haben. 

Ich dödel hier mit meinem Fahrrad unvorbereitet durch ihre Welt und mich mit Ihnen ein wenig in Einklang zu bringen, war die Aufgabe, die ich zu erfüllen hatte.

Mwaramutse Rwanda

Aber nun weiter in Richtung Ziel. Der Checkpoint war nur noch 40 Kilometer entfernt. Eine schöne Hängebrücke über ein Rinnsal von Flüsschen und zuvor ging es ausnahmsweise flach durch die Reisfelder. 

Hier legte ich mich das einzige Mal auf die Klappe. Ich war zu Faul bei einer der hölzernen Brücken, die aus längs zur Fahrtrichtung verlegten Stämmen bestanden abzusteigen und wollte mich hinüberhangeln. Mein Fuss rutschte Weg und schon lag ich da, hatte aber Glück – nix passiert. Gabi, die mir schon seit dem morgen hier und da begegnete, passierte kurz danach Ähnliches bei einer Unaufmerksamkeit auf einem schmalen Pfad. 

Kurz vor Mittag war dann auch der letzte Checkpoint erreicht. Nur ein kurzer Stopp: ein Omelett und Kuchen, Wasser auffüllen und weiter. Die Fahrer die dort waren, rechneten alle noch mit 11 Stunden Fahrzeit. 

Es ging sofort wieder auf Gravel. Komisch – ich hatte die Oberfläche des Tracks anders gedeutet und rechnete bis auf 20 Kilometer im letzten Drittel nur mit Asphalt. „Wird bald kommen“ dachte ich, aber das Bald kam erst nach 43 Kilometern und vier Stunden Fahrt in brütender Mittagshitze. Mir machte es nichts mehr aus. Bergauf wurde ich immer schneller, bergab blieb ich gewohnt langsam weil vorsichtig. Ich kam gut voran und nach einem kurzen Asphaltintermezzo ging es dann auf die letzten 20 Pistenkilometer bevor bei einbrechender Dunkelheit die Einfahrt nach Kigali anstand. Nochmal 13 Kilometer bergauf, Fanta und Mandazi und kurz vor dem Ende des Anstiegs dann nur noch Fanta. 

Um sieben dann das unbeschreibliche Finale: eine Stadtdurchfahrt zur Rushhour. Rechts, links und mittendurch die Autoschlangen, die langsam durch die City krochen. Es war ein Riesenspaß sich zwischen den Autos und Motorrädern hindurchzuqetschen und dann war es soweit. Beim letzten kurzen Anstieg stehen plötzlich Heiko und Michael an der Straße und feuern mich an – eine unerwartete Freude. Kurz danach bieg ich um die letzte Kurve und das Ziel ist erreicht. Ich werde jubelnd begrüßt, bekomme sofort mein erstes Bier in die Hand gedrückt und lass mich dann in Elkes Arme und die entspannte Atmosphäre des Tugende fallen. 

Ich hatte einen unglaublich guten Tag erwischt und vom CP4 grade mal 9 Stunden gebraucht. Wir blieben und schwätzen noch ein wenig bei Bier und Burger bevor wir irgendwann in unser, einen Steinwurf weit entferntes Apartment fuhren – mit dem Taxi 😃

Wir hatten noch eine Woche um zu entspannen und die familiäre Atmosphäre des Rennens, Kigali und das sommerliche Klima zu genießen. Das Maß war gut gewählt.

Ich bedanke mich herzlich bei Simon, dem Veranstalter und seinen vielen Helfern und bei allen Teilnehmern für die gemeinsame Zeit vor, nach und auf dem Track. 

Der größte Dank aber gilt den einzigartigen Menschen in diesem Land, die die Ihnen nachgesagte Gastfreundschaft weit übertroffen und mir eine unvergessliche Zeit beschert haben. SIe haben mich vor unerwartete Aufgaben gestellt, für deren Lösung ich ein paar Tage gebraucht, und die diese Tour für mich so wertvoll gemacht haben.

Murakoze Rwanda

📩 markus@morgenlandradler.de